Zeitreisen sind ein Thema, das immer wieder in den Timelines diverser Social Media auftaucht, speziell bei YouTube und TikTok kann man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass regelmäßig neue Beiträge auftauchen, wo jemand meint einen „Beweis“ für Zeitreisen gefunden zu haben (oder gar selbst Zeitreisender zu sein).
Hier will ich mich einmal mit einigen der bekanntesten sogenannten „Beweise“ für Zeitreisen beschäftigen, die Reihenfolge hat dabei keine Bedeutung, es gibt ja keine besseren oder schlechteren Beweise, auch wenn manche schon arg lächerlich erscheinen mögen.
1. Der zeitreisende Hipster
Hierbei handelt es sich um ein altes Bild, das einen Zeitreisenden zeigen soll, welcher angeblich 1941 bei der (Wieder-)Eröffnung der South Fork Bridge in Gold Bridge, British Columbia anwesend war.
Dieser Mann mag zwar für die Zeit etwas ungewöhnlich gekleidet sein, doch passt er tatsächlich besser in die Zeit, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. So handelt es sich bei dem Logo auf seinem Pullover / Shirt um das Logo eines lokalen Eishockey Vereins, der Montreal Maroons. Auch seine Sonnenbrille passt absolut in die Zeit, dieses Design gab es bereits seit den 1920er Jahren. Seine Kamera, die ebenfalls oft als „zu modern“ beschrieben wird, passt auch ohne weiteres in die Zeit, solche Modelle produzierte Kodak bereits seit 1938.
Wie man sieht müssen nur ein paar Dinge zusammen kommen, die für die betreffende Zeit „zu modern“ erscheinen, und schon macht jemand daraus einen Zeitreisenden.
2. Smartphone bei Mike Tyson Kampf 1995
Dieses Video aus dem Jahr 1995 zeigt einen Boxkampf von Mike Tyson. Eine Szene, in der im Publikum ein Mann zu sehen ist, der etwas in der Hand hält, das man durchaus mit einem modernen Smartphone verwechseln könnte, mit dem er den Kampf zu filmen scheint, soll ein Beweis für Zeitreisen sein. Dieser Fall ist aber ganz leicht aufzuklären, Kameras diesen Formats waren Mitte der 90er zwar alles andere als die Regel, sie existierten aber definitiv schon. Und eine solche Kamera benutzt der Zuschauer dort offenbar, denn ganz nach Ockham’s Rasiermesser, warum sollte man die (äußerst) unwahrscheinliche Erklärung wählen, wenn es doch eine ganz einfache gibt?
3. Hakan Nordkvist trifft sich selbst in der Zukunft?
Ein weiteres, sehr bekanntes Video, das beweisen soll, dass es Zeitreisen gibt. Hakan Nordkvist will angeblich sich selbst in der Zukunft getroffen haben, angeblich sei er durch ein Portal in die Zukunft, um genau zu sein ins Jahr 2046, gelangt, während er versuchte seine Spüle zu reparieren. Er filmte sich dabei zusammen mit einem älteren Mann, der ihm durchaus ähnlich sah, und der auch noch das gleiche Tattoo an der gleichen Stelle hatte. Das alles sieht auf den ersten Blick zwar recht überzeugend aus, aber es war alles Fake, wenn auch gut gemacht. Tatsächlich handelte es sich bei dem Video nämlich einfach nur um eine Marketingkampagne von AMF, dem drittgrößtem Pensionsfonds Schwedens.
Hier das Originalvideo, mit dem Nordkvist vor nunmehr 18 Jahren viele Internetnutzer davon überzeugte, dass er durch die Zeit gereist sei:
4. Mobiltelefone in Stummfilmen?
Hier gibt es (mindestens) 2 bekannte Szenen aus Stummfilmen bzw Filmen aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts (z.B. „The Circus“ von 1928, bzw stammt die besagte Szene wohl von der Premiere des Films, nicht aus dem Film selber), in diesen ist jeweils eine Frau zu sehen, die einen „nicht näher zu identifizierenden“ Gegenstand an ihr Ohr hält und sich scheinbar mit jemandem unterhält. Dies wird sehr oft so interpretiert, dass diese Frauen Zeitreisende seien, die dabei gefilmt wurden, wie sie ein Mobiltelefon benutzen.
Die Erklärung ist aber denkbar einfach, denn es handelt sich bei diesem Gegenstand natürlich nicht um ein Mobiltelefon, sondern um ein altmodisches Hörgerät, welches man sich damals, da diese im Vergleich zu Heute recht groß waren, noch mit der Hand ans Ohr halten musste.
5. Diverse selbst ernannte Zeitreisende
Diese alle aufzuzählen würde den Rahmen sprengen, denn es gibt unzählige Menschen, die sich ein bisschen Social Media Fame erhoffen indem sie Videos oder Beiträge veröffentlichen, in welchen sie einfach nur behaupten Zeitreisende zu sein, in der Regel werden diese Behauptungen durch mehr oder (meist) weniger überzeugende „Beweise“ untermauert. Dabei handelt es sich dann oft um verschwommene Bilder oder Videos von sehr schlechter Qualität (was natürlich nur an der Zeitreise liegt^^) oder irgendwelche wahnwitzigen Geschichten, wie die von John Titor, der meinte er sei aus der Zukunft gekommen um einen alten Computer zu holen, den man brauche um die Welt zu retten, oder ähnliches.

Sandstein, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Was diese Leute alle gemeinsam haben ist natürlich das Fehlen jeglicher echter Beweise, und, dass sie irgendwie komischerweise immer Social Media nutzen um ihre Geschichten zu verbreiten. Jemand, der auch nur halbwegs überzeugende Beweise hätte, würde sich da doch eher an größere / seriöse Medien wenden, ggf auch an die Polizei oder ähnliches. Social Media nutzen sie wie gesagt einfach nur um ein paar Klicks / Views abzustauben, bzw weil sie sich davon ihre „15 minutes of fame“ erhoffen.
6. Allein in der Zukunft?
Hierbei handelt es sich im Grunde um einen Spezialfall des vorigen Punktes, nur, dass die Leute behaupten, sie wären irgendwo in der Zukunft aufgewacht, in einer Welt komplett ohne Menschen, bis auf sich selbst. Dazu zeigen sie dann diverse Videos davon, wie sie durch leere Straßen oder öffentliche Gebäude gehen und meinen damit beweisen zu können, dass sie sich X Jahre in der Zukunft befänden. Gelegentlich wird auch noch irgendein Display eingeblendet, auf dem ein Fake-Datum aus dem Jahr, in dem sie sich angeblich befinden, zu sehen ist.
Natürlich ist das vollkommener Quatsch, allein schon so zu tun, als ob sie aus der Zukunft ihre Posts in die Gegenwart verschicken könnten (mal abgesehen von der Tatsache, dass das, was sie behaupten, physikalisch sowieso nicht möglich ist), zeigt doch schon, dass das nur Fake sein kann. Doch das traurige dabei ist, dass es teilweise sogar funktioniert, diese Geschichten viral gehen und sogar viele Menschen die Ersteller verteidigen und versuchen, in den Videos irgendetwas zu finden, was deren „Echtheit“ beweisen soll.
Wie diese Videos gemacht werden konnten ist natürlich ganz einfach zu erklären, denn während der Corona-Lockdowns gab es mit Sicherheit genug Orte, an denen, vor allem z.B. früh morgens, kein Mensch weit und breit zu sehen war, dann noch schnell irgendeine Anzeige fälschen und fertig ist das „Video aus der menschenleeren Zukunft“.
7. Zündkerze in eine halbe Million Jahren altem Gestein, London-Hammer und co?
Tatsächlich war der Stein aber keine 500.000 Jahre alte Geode, sondern eine sogenannte Konkretion (Gestein, das sich um ein Objekt herum bildet, und das ggf auch recht schnell), die offensichtlich zu diesem Zeitpunkt irgendwas um die 90 Jahre alt war.
Ähnlich sieht es bei dem sogenannten „London-Hammer“ aus, dabei handelt es sich um einen Hammer, welcher ebenfalls teilweise von einer Konkretion eingeschlossen ist, und der im Jahr 1934 in London (Texas, nicht England) gefunden worden war. Auch hier vermuteten viele, der Hammer sei durch eine Zeitreise dort hin gekommen, andere glaubten es habe schon in der Kreidezeit eine menschliche Zivilisation gegeben, die ihn hergestellt habe.
Bei diesen beiden Objekten handelt es sich nicht nur um angebliche Beweise für Zeitreisen, sie sind auch recht bekannte Beispiele für sogenannte „OOPAs“ (Out Of Place Artefacts), also Artefakte, die nicht in die Zeit passen, in der man glaubt sie gefunden zu haben (weil sie z.B. irgendwie in entsprechende Erdschichten gelangt sind). Hierfür gibt es noch viele andere Beispiele wie z.B. der Mechanismus von Antikythera, die Tamil Glocke, die Bagdad-Batterie oder auch die Karte von Piri Reis. Eine Liste von „Out Of Place Artefakten“ findet man z.B. bei Wikipedia.
8. Mike Marcum: Die „DIY Zeitmaschine“
Im Jahr 1995 stahl der damals 21-jährige Amerikaner Mike „Madman“ Marcum 6 Transformatoren aus einem Umspannwerk in Missouri, er benötigte sie angeblich für die „Zeitmaschine“, welche er gerade baute. Als er das Gerät einschaltete entstand angeblich eine Art „flammender Wirbel“, in welchen er dann testweise eine Schraube hinein warf. Die Schraube sei dabei in dem Wirbel verschwunden und erst wieder aufgetaucht und auf den Boden gefallen, als er die Maschine abschaltete. Er war daraufhin zunächst überzeugt er habe eine Art Teleporter erfunden, der die Schraube (oder andere Gegenstände, mit denen er den Test wiederholt haben will) ein kleines Stück in die Zukunft schickt.
Nachdem er für den Diebstahl der Transformatoren eine 60-tägige Gefängnisstrafe erhalten hatte, rief er bei einer Talkshow des Radiomoderators Art Bell an und erzählte diesem seine Geschichte. Anscheinend weil die Geschichte schön verrückt klang und ins Konzept seiner Sendung passte unterstützte Bell ihn bei seinem Vorhaben und gab ihm mit seiner Sendung wiederholt eine Bühne. Angeblich will er seine Experimente später auch mit lebenden Tieren wie Ratten oder Hamstern durchgeführt haben und dann zu dem Entschluss gelangt sein, es auch selbst einmal zu versuchen.

Mike Marcum ist dann, nach eigenen Angaben in Bells Sendung, irgendwann in desorientiertem Zustand ca 800 Meilen von seinem Wohnort, in Fairfield, Ohio, aufgetaucht, er hatte keine Papiere und auch kein Geld bei sich und litt zunächst an Gedächtnisverlust. In einem Obdachlosenheim untergebracht kam sein Gedächtnis langsam zurück und er entdeckte irgendwann eine Zeitung anhand derer er erkannt haben will, dass er 2 Jahre in die Zukunft gesprungen sei. Die zuständige Polizei hat natürlich keinerlei Kenntnis davon, weder, dass er je vermisst gemeldet wurde, noch, dass man ihn in Fairfield aufgegriffen habe. Von ihm oder seiner Zeitmaschine, die er nach diesem „Erlebnis“ noch um einen Faraday’schen Käfig erweitern wollte, um damit sicher durch die Zeit reisen zu können, hat man danach lange nichts mehr gehört.
Erst im Jahr 2005 tauchte er plötzlich wieder auf, meldete sich erneut bei „Coast to Coast AM“ (eine für wirre Verschwörungstheorien und ähnliches bekannte Radiosendung) und behauptete sein Haus und seine Ausrüstung seien bei einem Brand zerstört worden. 2016 soll er dann noch einmal aufgetaucht sein, nachdem er nach Hawaii gezogen war und sogar eine GoFundMe Kampagne gestartet hatte um seine „Arbeit“ zu finanzieren.
Auch wenn die Geschichte so natürlich nicht stimmt und er sicherlich nicht durch die Zeit gereist ist, muss man sagen, dass er wohl der „Ausdauerndste“ unter den angeblichen Zeitreisenden ist, wobei die Entwicklung 2016 ziemlich deutlich zeigt, dass es ihm, zumindest mittlerweile, nur um Geld geht (und das hätte er sicher nicht nötig, wenn er auch nur den aller kleinsten Beweis für seine Behauptungen hätte).
Fazit
Es gibt mehr oder weniger aufwändig konstruierte Geschichten über angebliche Zeitreisen, die letztere von Mike Marcum war wohl ziemlich sicher die „umfangreichste“ und vor allem langfristigste, die meisten zielen dabei ja eher auf ein paar schnelle Likes ab und ziehen ihre Geschichte nicht über mehrere Jahre hin. Bei Marcum könnte es aber durchaus sein, dass er wirklich glaubt was er behauptet, bzw das zumindest mal geglaubt hat, und dann irgendwann gemerkt hat, dass sich damit auch Geld machen lässt.
Ansonsten lassen sich alle angeblichen „Beweise“ für Zeitreisen recht einfach erklären, es erscheint vielmehr so, dass die Leute das unbedingt glauben wollen, denn oft ist es ja derart offensichtlich, dass eigentlich niemand mit auch nur einem kleinen bisschen gesundem Menschenverstand glauben kann, dass das wirklich Zeitreisen beweist. Selbst falls Zeitreisen irgendwann möglich werden sollten, was extrem unwahrscheinlich ist, würde man da sicher keine Menschen mit Smartphones oder ähnlichen, nicht in die Zeit passenden, Geräten durch die Weltgeschichte schicken (oder es würde viel öfter und eindeutiger passieren, dass sich jemand „erwischen“ lässt).
Reisen in die Zukunft:
Doch das heißt natürlich nicht, dass es gar keine Zeitreisen gibt, im Gegenteil, wir machen ja jeden Tag welche, sobald wir uns fortbewegen, oder auch nur auf eine Leiter steigen, bewegen wir uns auch durch die Zeit, denn für den, der auf der Leiter steht, vergeht die Zeit schneller als für den, der unten steht (wegen der geringeren Schwerkraft), auch wenn das nur ein extrem minimaler Unterschied ist.
Genauso ist es, wenn wir uns bewegen, je schneller unsere (relative) Geschwindigkeit ist, desto langsamer vergeht die Zeit, das heißt z.B., dass für einen Astronauten in der ISS, der sich ja sowohl in großer Höhe befindet, als sich auch schnell bewegt, die Zeit (geringfügig) langsamer vergeht als für die Menschen auf der Erde.
Der Mensch, der bisher am „weitesten“ durch die Zeit gereist ist, ist übrigens Oleg Kononenko, ein russischer Kosmonaut, der 1110 Tage im All verbracht hat, dabei ist er insgesamt ungefähr 0,02 Sekunden in die Zukunft gereist.
Reisen in die Vergangenheit:
In diese Richtung sind Zeitreisen, zumindest nach aktuellem Stand der Wissenschaft, praktisch nicht möglich. Theoretisch könnte ein Wurmloch zwar eine Verbindung in eine andere Zeit, auch in die Vergangenheit, darstellen, jedoch ist bisher noch nicht einmal bewiesen, dass Wurmlöcher überhaupt existieren, sie sind „nur“ eine Folgerung aus den Gleichungen der Relativitätstheorie. Ein weiteres Problem wäre, selbst wenn es Wurmlöcher gäbe, wie man sie unbeschadet passieren können soll, denn die Gezeitenkräfte würden einen Menschen (bzw quasi jede Art von Materie) schließlich zerfetzen bis nur noch die Elementarteilchen übrig sind.