Schon lange fragen sich Astronom:innen wie es sein kann, dass einige Sterne teils ohne eine Spur zu hinterlassen verschwinden können, doch genau dafür könnte man nun eine Erklärung gefunden haben: Sterne könnten möglicherweise direkt zu einem schwarzen Loch kollabieren, ohne eine Supernova und die damit in der Regel verbundenen, offensichtlichen Spuren wie einem planetaren Nebel (abgesehen davon, dass man eine Supernova heutzutage kaum übersehen würde).
Verschwundene Sterne
Zuletzt hatte man 2019 in einer Studie 100 Sterne ausgemacht, die plötzlich verschwunden zu sein schienen, waren diese auf älteren Aufnahmen des gleichen Bereichs des Himmels noch zu sehen, so waren sie nun einfach nicht mehr vorhanden, und das ohne jede Spur zu hinterlassen. Zwar sieht man es als möglich, dass vereinzelte Sterne zwischenzeitlich verblassen, doch sowohl die hohe Anzahl der verschwundenen Sterne, als auch die Tatsache, dass heutige Teleskope eher deutlich empfindlicher sind, als die, mit denen die alten Aufnahmen angefertigt worden waren, deuten darauf hin, dass es eine andere Ursache geben muss.
Das Ende eines Sterns
In der Regel Enden Sterne entweder als weißer Zwerg (Sterne, die in etwa die Größe unserer Sonne haben), als Neutronenstern oder als (stellares) schwarzes Loch (mehr als 8-10 Sonnenmassen), bei letzteren geht das normalerweise über eine Supernova, d.h. der Stern fällt zunächst in sich zusammen, explodiert dann und hinterlässt schließlich entweder einen Neutronenstern oder ein stellares schwarzes Loch (welches davon es wird hängt vor allem von der Masse des ursprünglichen Sterns ab).
So eine Supernova ist jedoch außergewöhnlich hell, oft überstrahlen sie gar das Licht ganzer Galaxien, es ist also extrem unwahrscheinlich, das eine Supernova „übersehen“ werden könnte, abgesehen davon hinterlassen Supernovae in der Regel „planetare Nebel“, also Überreste wie z.B. der bekannte Krebsnebel, welcher bei einer Supernova entstand, die auf der Erde im Jahr 1054 beobachtet wurde.
Vom Stern direkt zum schwarzen Loch
Das würde jedoch dafür sprechen, dass Sterne nicht „einfach so“ verschwinden können ohne Spuren zu hinterlassen, was aber ja nachweislich genau so passiert ist, von unzähligen Sternen, die auf alten Aufnahmen noch zu sehen sind, fehlt heute einfach jede Spur. Dafür könnte man nun aber endlich eine Erklärung gefunden haben, und zwar vermutet man, dass es noch eine weitere Art gibt, auf die Sterne enden können, nämlich indem sie, ohne Supernova, direkt zu einem stellaren Schwarzen Loch kollabieren (welches dann auch kaum noch zu entdecken wäre, so lange nicht zufällig z.B. ein anderer Stern genau hinter diesem schwarzen Loch vorbeizieht).
„Stünde man da und würde einen sichtbaren Stern beim vollständigen Kollaps beobachten, könnte es, gerade zum richtigen Zeitpunkt, so sein, als würde man einen Stern plötzlich verlöschen und vom Himmel verschwinden sehen“
, so Alejandro Vigna-Gómez vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in Deutschland und Mit-Autor der betreffenden Studie.
Diese Theorie unterstützt eine Untersuchung des erst 2022 entdeckten Doppelsternsystems VFTS 243, welches sich im Tarantelnebel im inneren der großen Magellan’schen Wolke befindet. Das System besteht aus einem Stern mit ca 25 Sonnenmassen sowie einem stellaren schwarzen Loch mit etwa 10 Sonnenmassen. Letzteres muss, in kosmischen Maßstäben, erst „kürzlich“ aus einem Massereichen Stern entstanden sein. Das ungewöhnliche daran ist, dass dort nirgends Spuren einer Supernova zu finden sind, zudem umkreisen sich der Stern und das schwarze Loch auf einer nahezu kreisrunden Bahn, was nach einer Supernova äußerst ungewöhnlich wäre, da die Supernova in der Regel dafür gesorgt haben müsste, dass ihre Umlaufbahn deutlich elliptischer ausfällt.
Fehlender „Geburtskick“
Zu dieser elliptischen Umlaufbahn führt in der Regel der sogenannte „Geburtskick“ bei der Supernova, welcher das kompakte Objekt beschleunigen und seine Umlaufbahn erweitern würde. Geburtskicks entstehen aufgrund von 3 Faktoren: dem Ausstoß von Trümmern aus dem explodierenden Stern, einem Neutrinoausbruch aus dem kollabierenden Kern des Sterns und Gravitationswellen. Ohne eine Supernova gäbe es aber auch keine Trümmer, nur die Neutrinos und Gravitationswellen würden einen viel kleineren Kick liefern, und genau das soll den Autor:innen der Studie zufolge bei dem schwarzen Loch in VFTS 243 passiert sein.
Folgen für die Wissenschaft
Sollten derartige „stillen“ Sternentode tatsächlich existieren, so könnten sie die lange gesuchte Erklärung für die verschwindenden Sterne sein, auch wenn sie dann genau genommen natürlich nicht wirklich verschwunden wären, sondern als stellare schwarze Löcher einfach nur so gut wie unmöglich zu entdecken. Ohne die entsprechenden Supernovae müsste man sich dann aber außerdem noch einmal Gedanken über die bisherigen Theorien zur Entstehung von (schweren) Elementen und der chemischen Evolution von Galaxien machen, da man bisher davon ausging, dass Supernovae erheblich zur Entstehung und dem Recycling von Elementen im Universum beitragen.